Mein besonderes Spiel – Nico Bärmann: Das unverhoffte Länderspiel

Ob Titelkampf oder Kellerduell in der DAIKIN HBL, ob Spitzenspiel oder Abstiegsthriller in der Handball Bundesliga Frauen, ob ein Nachbarschaftsderby in der 3. Liga oder die Finalrunde der Deutschen Jugend-Meisterschaft: Seit 2020 können die Schiedsrichter*innen des Deutschen Handballbundes (DHB) bei ihren Einsätzen auf die Unterstützung der KÜS bauen. Jede*r von ihnen hat in seiner Karriere bereits zahlreiche Spiele geleitet, doch jeder der knapp 300 Unparteiischen des Deutschen Handballbundes hat den einen Einsatz, den er oder sie nie vergessen wird. Dies ist die Geschichte vom besonderen Spiel von Nico Bärmann, der zusammen mit seinem Bruder Leon jüngst in den Elite-Anschlusskader aufgestiegen ist.
Hamburg: Handball Frauen Laenderspiel – Deutschland – Daenemark v.li. Schiedsrichter Leon Baermann, Schiedsrichter Nico Baermann

Unverhofft kommt oft: Die Wahrheit, die hinter diesem Sprichwort steckt, erlebten Nico Bärmann und sein Bruder Leon erst vor wenigen Monaten am eigenen Leib. Aus dem Nichts rief Jutta Ehrmann, Leiterin des Schiedsrichterwesens im Deutschen Handballbund, die beiden Brüder an – und wollte in Erfahrung bringen, ob sie am nächsten Tag in Hamburg pfeifen könnten.

„Wir mussten zweimal hinhören, ob wir sie richtig verstanden haben, denn Hamburg ist von uns ein ganzes Stück weg und so spontan sind solche Distanzen ungewöhnlich“, erinnert sich Nico Bärmann. Ebenso ungewöhnlich bzw. außergewöhnlich war das Spiel, das Ehrmann ihnen anbot: Das Freundschaftsspiel zwischen den Frauen-Nationalmannschaften von Deutschland und Dänemark. 

Hamburg: Handball Frauen Laenderspiel – Deutschland – Daenemark

„Wir mussten auf Arbeit zwar ein paar Dinge umschmeißen und Termine verschieben, aber so eine Gelegenheit ist einmalig“, sagt Bärmann. „Wir mussten nicht lange nachdenken, ob wir das wollen – und zum Glück war es auch beruflich machbar.“ Keine 24 Stunden nach dem Anruf ging es für die beiden Brüder aus Baden-Württemberg in Richtung Hansestadt. Das eigentlich für das Länderspiel angesetzte Schiedsrichter-Team aus den Niederlanden war erkrankt. 

Durch die Teilnahme am EHF Young Referee Project hatten Bärmann/Bärmann vor dem Spiel zwar bereits erste internationale Erfahrung gesammelt – wie bei European Youth Olympic Festival (EYOF) 2023 in Slowenien -, doch das minderte die Aufregung vor dem ersten Länderspiel im Erwachsenenbereich nicht. Bärmann: „Wir haben uns unheimlich gefreut, mit zwei Mannschaften auf Weltklasseniveau auf dem Feld stehen zu dürfen – und dann auch noch ein Spiel der eigenen Nation zu leiten, was ja normalerweise nicht vorkommt, war doppelt cool.“ 

Die Brüder saugten die Momente rund um das Länderspiel auf: Die Sporthalle Hamburg mit 3.500 Plätzen („eine der größten Kulissen, vor denen wir bislang gepfiffen haben“), die Nationalhymnen vor dem Spiel („ganz besonders“) und generell die Länderspiel-Stimmung auf den Rängen („das hat richtig Spaß gemacht“). 

Hamburg: Handball Frauen Laenderspiel – Deutschland – Daenemark

Das Highlight war der Augenblick des Einlaufens; zusammen mit den Flaggen von Deutschland und Dänemark. „Natürlich ist man zu dem Zeitpunkt schon im Fokus und wartet eigentlich nur noch auf den Anpfiff, aber ein bisschen konnten wir den Moment trotzdem genießen“, freut sich Bärmann. 

In den folgenden 60 Minuten war für das Genießen kein Platz; die Brüder mussten sich auf das Spiel einstellen. „Durch die kurzfristige Ansetzung hatten wir keine Zeit für die übliche  Vorbereitung, was vielleicht sogar ganz gut war, weil wir keine Zeit hatten, uns verrückt zu machen“, schmunzelt Bärmann. „Wir wussten aber anfangs natürlich nicht, was wir laufen lassen können und welche Linie die Spielerinnen auf diesem Niveau akzeptieren; daher mussten wir uns erst einmal reinfinden.“

Unterstützung gab es dabei von Schiedsrichter-Chefin Ehrmann, die als Delegierte am Tisch dabei war. „Das hat uns sehr geholfen“, betont Bärmann. Mit der eigenen Leistung waren die beiden Brüder am Ende durchaus zufrieden. „Ich glaube, wir haben das ordentlich gemacht. Es hat sich nach dem Spiel auch niemand beschwert; das ist ein Zeichen, dass wir zumindest nicht negativ aufgefallen sind.“ 

Hamburg: Handball Frauen U19 Laenderspiel – Deutschland – Daenemark

Nach der Rückkehr in die Kabine waren Bärmann und sein Bruder Leon erst einmal „platt“, wie er es formuliert. „Es hat ein bisschen gedauert, bis wir realisiert haben, dass wir gerade wirklich ein Länderspiel gepfiffen hatten“, lacht der Unparteiische. Ein Vorteil, den die beiden auf dem Feld hatten: Durch die Einsätze in der 1. Frauen-Bundesliga kannten sie zumindest viele der deutschen Spielerinnen.

„Es ist aber noch einmal etwas ganz anderes, wenn sie im Nationaltrikot auf dem Feld stehen“, betont Bärmann, der zudem von einem großen Unterschied berichtet: Der Sprache. „Wir mussten auf dem Spielfeld komplett englisch sprechen, auch mit den deutschen Spielerinnen“, erzählt er. „So ist sichergestellt, dass beide Mannschaften verstehen können, was du sagst.“ 

Das nächste besondere Spiel wird für Bärmann/Bärmann übrigens nicht lange auf sich warten lassen: Die Brüder stiegen zur Saison 2025/26 in den Elite-Anschlusskader auf und können damit ab Ende August auch in der DAIKIN HBL eingesetzt werden. Die Premiere in der deutschen Beletage wird sicherlich ähnlich denkwürdig wie dieses Länderspiel, das Nico und Leon Bärmann so unverhofft leiten durften. 

Fotos: Marco Wolf

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